von Franz-Manfred Schüngel
Eine einzelne Linse verursacht zahlreiche Abbildungsfehler, die sich
in Unschärfen, Farbsäumen und Verzerrungen äussern. In Objektiven
kombiniert man daher mehrere Linsen aus unterschiedlichen Glassorten, um
die Fehler möglichst weitgehend zu eliminieren. Diese Korrektur ist
so weit fortgeschritten, dass heute nur wenige Leistungsschwächen
in der Abbildung eindeutig einem dieser Fehler zugeordnet werden können,
was Objektivtests komplizierter macht.
Die Sphärische Aberration (Öffnungsfehler) tritt auf,
weil die Linsenoberfläche eine Kugeloberfläche beschreibt. Die
Bündelung parallel eintreffender Strahlen in einen Brennpunkt ist
daher nur für achsennahe Strahlen gegeben. Asphärische Linsen
mit parabelförmigem Querschnitt vermeiden diesen Fehler, sind aber
in hoher optischer Qualität sehr teuer zu fertigen. Das scharfe Kernbild
wird durch die sphärische Aberration von einem unscharfen überlagert,
was bei Weichzeichnerobjektiven, bei denen dieser Fehler absichtlich unterkorrigiert
ist, ausgenutzt wird. Die Bildschärfe lässt sich durch Abblenden
wesentlich steigern, allerdings verschiebt sich dabei die Ebene der maximalen
Bildschärfe (Fokusverschiebung), was ein Nachfokussieren notwendig
macht.
Die Chromatische Aberration (Farblängsfehler) tritt auf, weil
der Linsenrand das Licht wie ein Prisma in seine spektralen Bestandteile
zerlegt. Schlechte Korrektur führt im Bild zu Farbsäumen. Da
das Licht, welches die Linse am Rand passiert, am meisten zur Aberration
beiträgt, verringern sich diese Fehler mit dem Abblenden. Er lässt
sich korrigieren, indem zwei Linsen aus unterschiedlichen Glassorten zu
einer sogenannten Gruppe zusammengekittet werden. Man wählt die Glassorten
so, dass der rote und der blaugrüne Spektralteil zusammenfällt.
Man bezeichnet diese Konstruktionen als Achromaten, den nicht korrigierten
Spektralteil als sekundäres Spektrum. Aufwändigere Konstruktionen,
bei denen drei Wellenlängen zusammenfallen, bezeichnet man als Apochromaten.
Der Mehraufwand lohnt sich insbesondere bei langen Brennweiten. Bei Spiegelobjektiven
tritt chromatische Aberration nicht auf.
Der Farbvergrösserungsfehler (Farbquerfehler) hat ähnliche
Ursachen wie die chromatische Aberration: Die roten, grünen und blauen
Teilbilder werden unterschiedlich gross abgebildet. Dies hat zur Folge,
dass der Fehler in der Bildmitte nicht, zum Rand und zu den Ecken hin jedoch
immer stärker auftritt. Der Fehler ist unabhängig von der Blende,
die Korrektur bei der Objektivkonstruktion erfolgt wie bei der chromatischen
Aberration.
Die Koma (Asymmetriefehler) kommt zustande, weil sich bei einem
schrägen Eintritt des Strahlenbündels die sphärische Aberration
aufgrund der Asymmetrie stärker auswirkt. Ein Lichtpunkt in der Bildecke
wird bei einem unkorrigierten Objektiv oval mit unscharf verlaufender Seite
(kometenartig) wiedergegeben. Bei der Korrektur spielt die Lage der Blende
eine wesentliche Rolle, eine vollständige Korrektur ist bei einem
völlig symmetrischen Objektivaufbau mit mittiger Blende möglich.
Abblenden verringert den Fehler. Mitunter ist die Koma auch bei heutigen
Objektiven bei starken Kontrasten und grosser Blende noch sichtbar, zum
Testen empfiehlt sich z. B. der Sternenhimmel.
Astigmatismus (Punktlosigkeit) betrifft auch Strahlenbündel,
die schräg eintreffen: Der Querschnitt dieses Strahlenbündels
ist in der Schnittebene der Linse nicht kreisrund, sondern elliptisch.
Die längere (meridionale) Schnittebene unterliegt daher einer stärkeren
sphärischen Aberration als die kürzere (sagittale). Damit ergeben
sich für diese Strahlenbüschel unterschiedliche Brennpunkte.
Ein heller Punkt am Bildrand wird daher als tangentialer (im sagittalen
Brennpunkt) oder radialer Strich (im meridionalen Brennpunkt) in zwei Ebenen
abgebildet. Der Fehler äussert sich in Schärfeabfall zum Bildrand
hin, Abblenden bringt Verbesserung.
Die Bildfeldwölbung ist insbesondere bei Weitwinkelobjektiven
ein Problem, eine schlechte Korrektur führt zu unzureichender Schärfe
am Bildrand (oder in der Mitte, je nach Fokussierung) bei grossen Blenden.
Beim Abblenden spielt sie wegen der höheren Schärfentiefe
eine geringere Rolle. Sie kommt zustande, weil achsferne Punkte näher
zur Hauptebene abgebildet werden als achsnahe. Aufgrund des Astigmatismus
treten darüberhinaus zwei Bildschalen auf, eine für meridionale
und eine für sagittale Strahlenbüschel.
Vignettierung: Prozentualer Lichtabfall in Abhängigkeit vom halben
Bildwinkel
|
Vignettierung (Abdunkelung der Ecken) tritt ebenfalls hauptsächlich
bei rectilinearen Weitwinkelobjektiven auf. Sie ist kein linsentypischer
Abbildungsfehler, da man sie auch bei Lochkameras beobachtet: Schaut man
schräg auf das Loch, erscheint es kleiner. So gelangt weniger Licht
hindurch, die Bildecken werden weniger belichtet. Sie ist somit geometrisch
bedingt, ihre Korrektur ist schwierig. Sie stört jedoch nur, wenn
der Lichtverlust zur Ecke mehr als eine Blende beträgt. Bei einigen
extremen Weitwinkelobjektiven kann man beobachten, dass die Eintrittspupille
grösser wird, wenn man das Objektiv kippt, durch eine solche Konstruktion
wird die Vignettierung verringert. Weiterhin ist die Kompensation über
einen speziellen Filter möglich, der in
der Mitte neutralgrau ist und zum Rand hin verläuft (Radial-Graufilter).
Dabei ist das zum Objektiv passende Filter zu verwenden, wenn es eines
gibt. Ansonsten muss man mit der Vignettierung leben.
Verzeichnung (Distorsion) ist die gekrümmte Wiedergabe gerader
Linien am Bildrand. Auch wenn die sphärische Aberration für grosse
Aufnahmedistanzen korrigiert ist, tritt sie für sehr kurze Distanzen
(Abbildung der Blende!) noch auf. Da die Bildpunkte (Unschärfekreise)
Abbildungen der Blende sind, ist die Lage der Blende im Objektiv wesentlich.
Bei einer Blende vor dem Objektiv tritt tonnenförmige Verzeichnung
auf, bei einer Blende hinter dem Objektiv kissenförmige. Durch symmetrischen
Objektivaufbau mit mittiger Blende lässt sich die Distorsion vermeiden.
Abblenden hat keinen Effekt. Sie ist insbesondere bei Zoomobjektiven zu
beobachten, da sich die Lage der Blende zur optischen Konstruktion beim
zoomen verschiebt. Fisheye-Objektive bilden
die Richtungskugel ab und verzeichnen daher sehr stark tonnenförmig,
vignettieren aber nicht.
Beugung ist ein physikalisches Phänomen, welches Lichtstrahlen
(und anderen Wellen) erlaubt, um die Ecke zu laufen. Betrachtet man eine
Wasserwelle, die eine Hafeneinfahrt passiert, so beobachtet man, dass sie
diese Einfahrt als neuen Ausgangspunkt nimmt. Ihre Amplitude (Intensität)
nimmt dabei ab, sodass die Schiffe nur sanft rumdümpeln und nicht
dauernd gegen die Kaimauer geschleudert werden. Licht verhält sich
ähnlich: Hält man einen schwarzen Karton gegen die Sonne, so
sieht man die Kanten hell aufleuchten. Im Objektiv findet Beugung an der
Blende statt, so dass ab einem bestimmten Punkt die Abbildungsqualität
mit weiterem Abblenden abnimmt. Dies ist dann der Fall, wenn die Unschärfekreise
(Zerstreuungskreise) durch die Beugung augenfällig werden. Die kleinstmögliche
Blende, die sich nicht negativ auf die sichtbare Auflösung des Bildes
auswirkt, wird als förderliche Blende bezeichnet. Sie lässt sich
aus folgender Formel ableiten:
Für die Wellenlänge des Lichts kann man einen mittleren Wert
von 550 nm annehmen. Für einen Unschärfekreis von 0.03 mm (siehe
Schärfentiefe)
ergeben sich die folgenden förderlichen Blenden abhängig vom
Vergrösserungsmassstab:
Wie ersichtlich, ist dies vor allem ein Problem im Bereich der Makrofotografie.
Objektivkonstruktionen
| 
Inhalt
| 
Suche
| Objektivtests
(c) 1999 by Franz-Manfred
Schüngel